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STEPHAN ROBERT

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BAND 1

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Alle Rechte vorbehalten

ISBN der Printausgabe 978-3-7245-2240-9

Der Friedrich Reinhardt Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt.

www.reinhardt.ch

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Für meine Frau

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

Autor

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1. Kapitel

Das Firmenlogo leuchtete hell im Dunkel der Nacht von der Hausfassade. Peters Blick wanderte über die drei Buchstaben: S M T.

«Schnell weiter! Die Luft ist rein.»

Gefolgt von einem zweiten Mann, huschte er schnell am Haupteingang vorbei, zur Hinterseite des Gebäudes.

«Das ist der einfachste Weg ins Labor», flüsterte er. Er zeigte mit seiner Hand in Richtung eines Fensters und öffnete langsam seine Tasche. Sein Begleiter nickte ihm stumm zu und folgte ihm zu der Fensterscheibe. Peter zog einen Vakuum-Saugnapf aus seiner Tasche und setzte diesen vorsichtig an der Scheibe an.

«Gib mir den Diamantschneider», sagte er leise, ohne seinen Blick von der Scheibe abzuwenden. Der andere legte ihm das Schneidegerät in die Hand.

Vorsichtig setzte er den Schneider an der Scheibe an und machte einen möglichst runden Schnitt um den Vakuum-Saugnapf. Doch ausser einem leichten Kratzer war nichts zu erkennen.

«Doc, du musst fester drücken, da passiert nichts.»

«Dann mach du das doch.» Genervt setzte er den Schneider wieder ab und übergab ihn seinem besserwisserischen Begleiter. «Und nenn mich nicht so. Wir benutzen nur unsere Codenamen. Wie vereinbart. Peter und Bruce.»

«Geht klar, Peter.»

Peter trat einen Schritt zurück und beobachtete, wie Bruce sein Glück versuchte. Und obwohl er hoffte, dass Bruce die Scheibe möglichst schnell aufschneiden würde, überlegte er bereits, wie er ihn necken könnte, sollte er ebenfalls scheitern. Das ist ja viel besser, als das, was ich gemacht habe. Oder. Danke für deine Hilfe, das hätte ich nicht gekonnt.

Wenige Sekunden nachdem Bruce den Schneider an der Scheibe angesetzt hatte, wurde die Stille der Nacht durch ein zerberstendes Glas unterbrochen und Hunderte Glasstücke fielen zu Boden.

«Fuck», fluchte Bruce.

Ein cooler Spruch fiel Peter jetzt auch nicht mehr ein. Gehetzt schubste er seinen Begleiter zur Seite und kletterte so schnell wie möglich durch das Fenster.

«Super. Jetzt müssen wir uns noch mehr beeilen», murrte er, während er aufpassen musste, dass er nicht von den übrig gebliebenen Glasteilen im Fensterrahmen geschnitten wurde.

«Ein Alarm ist aber nicht zu hören.»

«Noch nicht», sagte Peter.

Er schaltete seine Taschenlampe ein und liess den Lichtstrahl an der ersten Tür vorbei zum zweiten, weiter entfernten Eingang gleiten.

«Geh dahin und beobachte den Flur. Schlag Alarm, sobald jemand kommt! Ich muss zur anderen Seite des Labors.»

Bruce rannte zu der Tür hin und begab sich in Stellung. Durch die kleine Glasscheibe der Labortüre konnte er ausgezeichnet den Zugangskorridor überblicken.

Peter wandte sich um und fuhr mit dem Lichtstrahl der Taschenlampe quer durch den Raum, bis er sein Ziel erkennen konnte. Ein raumhoher Schrank, der sich knapp fünfzig Meter von ihm entfernt in einer Ecke befand.

Eilig rannte er darauf zu. Er öffnete beide Schranktüren und sah sofort, dass die unterste Ablage vollständig und chaotisch mit Gegenständen vollgestellt war. Ordner, Mikroskope und sonstiger Schrott.

Scheisse, das muss ich alles wegräumen.

Er legte seine Tasche und die Taschenlampe zur Seite und fing eilig damit an, die untersten Gegenstände herauszunehmen.

Der Blick des Nachtwächters schweifte über die unzähligen Bildschirme, die er zu überwachen hatte. 21. September 2016 – 01:35 stand auf dem Monitor geschrieben, als ihm die beiden Schatten auffielen, die sich Zugang zu Gebäude eins, Raum drei verschafft hatten. Der Nachtwächter schaute auf das laminierte Blatt, das neben seiner Tastatur auf dem Tisch lag, und fuhr mit dem Finger die Liste entlang, bis er auf den Eintrag Gebäude eins, Raum drei stiess. «Labor», sprach er leise vor sich hin. Sofort drückte er auf den roten Alarmknopf, griff nach dem Telefonhörer und sagte: «Zwei Eindringlinge – Raum eins, drei. Das Labor.»

Die beiden Eindringlinge zuckten zusammen, als die Sirene der Alarmanlage mit dem ohrenbetäubenden Lärm anfing, durch das riesige Labor zu dröhnen. «Raus hier!», schrie Bruce, der im Korridor aufblitzende Lichter erkennen konnte.

«Scheisse, die sind zu schnell», fluchte Peter.

Er blickte auf die wenigen Gegenstände, die er bereits aus dem Schrank ausgeräumt hatte, und auf die, die er noch hätte ausräumen müssen. Kurzentschlossen packte er alles, was neben ihm auf dem Boden lag, und stellte es möglichst wieder so zurück, wie er es zuvor aufgefunden hatte.

Wieder hörte er Bruce schreien, diesmal deutlich lauter als zuvor. «Wir müssen raus hier!»

Peter räumte den letzten Ordner in den Schrank und schlug die Türen hastig zu. Er richtete sich auf und rannte zurück zu dem Fenster, durch das sie das Labor betreten hatten. Bruce blieb noch einen Augenblick stehen, um sicher zu gehen, dass es nicht nur die Putzfrau war, die ihn aufgeschreckt hatte. Doch als er den ersten Wachmann mit Taschenlampe erblicken konnte, rannte er ebenfalls los.

Just in diesem Moment flogen die zwei Zugangstüren des Labors auf. Jeweils zwei bewaffnete Sicherheitsleute traten in den Raum und konnten die Eindringlinge sofort erblicken. «Stehen bleiben!», schrie einer der vier Männer, die alle in militärische Tarnanzüge gekleidet waren.

Doch die Einbrecher ignorierten die Anweisung und rannten weiter, die bewaffneten Männer hinterher.

Peter war früher losgelaufen und erreichte das Fenster als Erster. Er kletterte auf die Fensterbank und blickte besorgt zurück, um zu sehen, ob Bruce es auch schaffen würde.

Dieser sah sein Zögern und schrie, während er rannte: «Peter, spring. Ich schaff das.»

Peter nickte und sprang aus dem Fenster. Bruce rannte so schnell, wie er konnte. Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihm, dass sein Abstand zu den Wachmännern grösser wurde.

Einer der Wachmänner blieb stehen und schrie nochmals: «Stopp!»

Bruce kümmerte sich nicht darum. Aber er wusste, dass ihm nicht die Zeit bleiben würde, um vorsichtig durch das Fenster zu klettern.

Ich muss versuchen, hindurch zu springen.

Mit all seiner Kraft sprang er vom Boden ab und machte einen weiten Sprung in Richtung Fenster. Noch bevor er dieses erreicht hatte, konnte er hinter sich einen Schuss hören, gefolgt von einem zweiten. Der erste flog an ihm vorbei und zerbarst ein Fenster neben dem, durch das er fliehen wollte. Die zweite Kugel konnte er jedoch nicht an sich vorbeifliegen sehen. Wie ein Stich bohrte sich etwas in seine Hüfte. Unkontrolliert und mit einem lauten Schrei flog er durch das Fenster und prallte unsanft auf dem Boden vor dem Gebäude auf.

«Du musst aufstehen», schrie Peter und versuchte verzweifelt, ihn hochzuheben.

Bruce stand auf und rannte, so gut es ging, los.

«Geht schon», sagte er, um möglichst keine Schwäche zu zeigen. Humpelnd und abgestützt auf Peter rannte er in die Nacht, ohne sich noch einmal zum Labor umzublicken.

Nur wenige Augenblicke später war der erste der drei Soldaten am Fenster angekommen und kletterte auf die Fensterbank. Er blickte auf die Strasse und in die Dunkelheit. Von beiden Personen war aber nichts mehr zu sehen. Er sprang wieder zurück ins Labor, schaute in die Kamera und schüttelte mit dem Kopf.

Der Nachtwächter, der vor den Überwachungsmonitoren sass, sah, wie der Soldat mit dem Kopf schüttelte, und griff nach dem Telefonhörer. Er wählte eine Nummer und wartete einen Augenblick.

«Mister Tremor. Die Eindringlinge sind entwischt.»

Das andere Ende der Leitung blieb für einen Moment ruhig. Lediglich ein tiefes Ausatmen war zu hören, gefolgt von einer verärgerten Stimme.

«Wo hat er gesucht?»

«In einem der Laborschränke, Sir.»

«Dann durchsucht den Schrank.»

«Jawohl, Sir.»

Der Mann am anderen Ende der Leitung legte auf. Der Nachtwächter griff zum Mikrofon, welches sich links von ihm befand, und drückte auf den Knopf für die Durchsage.

«Durchsucht den Schrank in der Ecke des Raumes und bringt alles, wonach die beiden Diebe gesucht haben könnten.»

Auf den Überwachungsmonitoren waren die vier Soldaten zu sehen, die zustimmend mit dem Kopf nickten und sich sofort in die Richtung des Schrankes aufmachten, um den Befehl auszuführen.

2. Kapitel

Joshua Tremor hatte schweissnasse Hände und in seinem Bauch verspürte er ein leichtes Gefühl der Übelkeit. Mit Ausnahme der freundlichen Empfangsdame sass er ganz alleine in der Empfangshalle der SMT Group und wartete darauf, dass sein neuer Vorgesetzter ihn endlich abholen würde.

«Warum bin ich denn so nervös? Ich habe doch gar keinen Grund, so aufgeregt zu sein. Mein neuer Chef ist doch Onkel Martin!», dachte Joshua.

Es war Joshuas erster Arbeitstag. Er hatte keine Ahnung, was auf ihn zukommen würde. In seinen Gedanken hatte er bereits alle möglichen Varianten durchgespielt, ohne genau zu wissen, welche Jobs es in der Firma seines Onkels überhaupt gab. Vom Büroknecht über den Sportmanager bis hin zum CEO hatte er sich beim Träumen ertappt, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass er wahrscheinlich nur als einfache Hilfskraft infrage kommen würde. Oder aber als Gärtner, so wie sein Vater, der seit mehreren Jahren in dieser Funktion in Onkel Martins Unternehmung arbeitete. Aber als Gärtner sah er sich am wenigsten, weshalb er sich heute in Schale geworfen und einen neuen Anzug angezogen hatte.

Joshua schaute sich in der Eingangshalle um. Der grosse Tresen, hinter dem die Empfangsdame etwas verloren wirkte, stand mitten im Raum. Es war deutlich zu sehen, wie gut es dem Unternehmen ging. Die Böden waren aus Marmor und überall waren Goldverzierungen zu sehen. Joshuas Blick fiel auf den Schriftzug, der sich unmittelbar über der Empfangsdame befand.

«Sports Management Tremor», las er leise vor sich hin. «Da hat sich mein Onkel aber schön verwirklicht», dachte Joshua. «Wenn man seinen eigenen Namen in dem Firmennamen wiederfindet, dann hat man es wahrscheinlich geschafft.» Dass er selber den Namen Tremor trug, hatte ihm in seinem Leben schon einige Male einen Vorteil verschafft. Auch wenn er nur der Neffe des berühmten Martin Tremor war. Joshua rieb ungeduldig seine Hände. Just in diesem Moment machte der Lift ein leises «Ding» und die Tür öffnete sich. Martin Tremor trat heraus, schaute sich in der Halle um und fing an zu strahlen, als er Joshua erblickte. Erfreut ging er direkt auf ihn zu.

«Na, wen haben wir denn da? Wenn das nicht unser zukünftiger Mitarbeiter des Monats ist.»

Joshua stand auf und ging auf Martin zu. «Hi, Onkel Martin.»

Martin umarmte ihn und klopfte ihm auf den Rücken. Er stiess ihn ein Stück von sich weg und hielt ihn an den Schultern fest. «Gut siehst du aus, mein Junge.» Er rüttelte an Joshuas Krawattenknopf. «Hast du die selber gebunden?», fragte er, ohne eine Antwort von ihm zu erwarten.

Joshua ging nicht darauf ein. Er wusste, dass sein Onkel sehr viel Wert auf das Äussere legte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er ihn jemals ohne einen dreiteiligen Anzug gesehen hätte. Vor wenigen Tagen hatte sich Joshua ebenfalls einen Dreiteiler gekauft, um bei seinem Onkel Eindruck schinden zu können. Als er sich zu Hause im Spiegel damit betrachtete, musste er sich eingestehen, dass es ihm selbst auch sehr gut gefiel. Darüber hinaus vermittelte ihm der Anzug ein Gefühl der Sicherheit. Etwas, das er nicht sehr oft in seinem Leben verspürte.

«Dein Gebäude beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue», sagte Joshua und schaute nickend in der Halle umher.

«Dieses popelige Häuschen?», sagte Martin lachend. «Heute wirst du endlich mal das ganze Gebäude sehen und nicht nur die Eingangshalle und meine Wohnung.» Martin schaute ihn stolz an. «Es freut mich, dass du da bist. Es ist wichtig, dass wir junge Leute in die Firma bringen, die der Unternehmung eine Perspektive geben. Wer weiss, wie lange ich es noch bringen werde.»

Joshuas Nervosität nahm bei dieser Aussage nochmals zu, da er immer noch nicht wusste, was Martin für ihn vorgesehen hatte.

«Heute beginnt für uns alle ein neues Kapitel.» Martin drehte sich von Joshua weg und ging in Richtung des Lifts. «Komm mit. Ich werde dir dein Büro zeigen und stelle dir dann all die Leute vor, mit denen du zu tun haben wirst. Rebecca kennst du ja bereits.» Er zeigte mit seiner Hand in Richtung der Empfangsdame.

Diese nickte nur kurz mit dem Kopf und wandte sich anschliessend wieder ihrem Monitor zu.

Sie betraten den Lift. Martin drückte auf den Knopf der dritten Etage und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Die Rückseite der Kabine war mit einer Glasscheibe versehen, wodurch man einen herrlichen Blick in Richtung Osten und somit über die Gartenanlage der Firma geniessen konnte. Das Gebäude befand sich in der Nähe des Finanzdistriktes von London. Neben den riesigen Wolkenkratzern wirkte das Häuschen von Martin Tremor wie ein Zwerg. Optisch unterschied es sich jedoch deutlich von den umliegenden Häusern. Es verfügte zwar nur über sechs Stockwerke, aber es war ein architektonisches Meisterwerk. Martin hatte das Bauprojekt vor Jahren ausschreiben lassen. Das Architekten-Duo, welches schliesslich den Zuschlag bekommen hatte, liess sich für das Bauprojekt einiges bezahlen. Martin bereitete das aber keine grossen Probleme, denn seine Sportagentur war äusserst erfolgreich. Dennoch wusste keiner genau, wie viel Geld er bereits verdient hatte. In der jährlich publizierten Liste der reichsten Engländer wurde er aber stets unter den ersten fünfzig aufgeführt, obwohl sein Vermögen nur geschätzt werden konnte. Es war nicht zu übersehen, dass Martin mit dem Gebäude seinen Erfolg zelebrieren wollte.

Auf dem Dach befand sich ein Kunstwerk, das Martin nach seinen Vorstellungen hatte anfertigen lassen. Es war ein riesiges Ungetüm, das in Joshuas Augen wie ein Rennwagen ohne Räder aussah. Auf die Frage, um was es sich dabei handelte, sagte Martin jeweils, dass es im Auge des jeweiligen Betrachters lag und jeder darin etwas anderes sah. Für ihn sei es ein Symbol für Einzigartigkeit und Erfolg.

Der Lift stoppte und sie verliessen die Kabine. Sie gingen an zwei leeren Büros vorbei und hielten an der dritten Türe.

«Voilà, hier ist dein Büro!» Martin öffnete die Tür, marschierte stolz vor Joshua in den Raum und wartete auf seine Reaktion.

Joshua war sprachlos. Das Büro sah aus wie eines, das man in einem Hollywood-Film beim CEO einer Unternehmung sehen würde. In der Mitte stand ein riesiger Glastisch, hinter dem sich ein schwarzer Ledersessel befand. An der Wand hinter dem Sessel stand eine schwarze Kommode, über der ein Gemälde hing. Joshua blickte zur rechten Wand, an der zwei Hocker um einen Clubtisch standen. Darüber hingen an der Wand vier Fernseher, auf denen Rugy, Football, Boxen und Fussball zu sehen waren. Joshuas Blick fiel zur linken Seite, an der sich eine Fensterscheibe vom Boden bis zur Decke erstreckte. Die Aussicht war überwältigend. Joshua hätte hüpfen können vor Freude, er versuchte jedoch, sich nichts anmerken zu lassen und cool zu bleiben.

«Ich dachte, ich würde ein grosses Büro bekommen!?» Er konnte jedoch nicht ernst bleiben und musste lachen.

Martin zog seine rechte Augenbraue hoch und musste ebenfalls lachen. «Immerhin stimmt deine Einstellung. Das Streben nach mehr scheint dir zu liegen. Wenn du ein grösseres Büro haben willst, dann musst du dafür arbeiten oder am besten verdrängst du gleich mich von meiner Position.» Er zwinkerte ihm zu. «Leg dein Zeug auf den Tisch.»

Martin ging zum Glastisch und griff nach einer Schachtel, die darauf lag. Er reichte sie Joshua und sagte: «Willkommen bei der SMT Group. Hier ein kleines Geschenk. Das bekommt jeder, der sich bei mir einen Sportmanager-Posten sichert.»

«Sportmanager?», schaute Joshua ihn fragend an.

«Ja. Warum sollten wir klein anfangen, wenn du doch zu Höherem bestimmt bist? Mach die Schachtel auf.»

Joshua öffnete die Schachtel und konnte seinen Augen nicht trauen.

«Wow, danke, Onkel Martin. Eine Uhr?»

«Eine Uhr?», fragte Martin entsetzt. «Das ist nicht irgendeine Uhr. Das ist eine Rolex Submariner. Denk daran, wenn du auf die Uhr schaust, dass ich es nicht mag, wenn Leute unpünktlich sind.»

«Damit werde ich bestimmt nie zu spät kommen. Danke.»

«Zieh sie mal an. Wir haben die Grösse deines Handgelenkes nur schätzen können, aber ich hoffe, dass sie dir passt.»

Joshua zog die Uhr an und betrachtete fasziniert sein Handgelenk. «Passt ausgezeichnet.»

«Ausserdem ist es mir wichtig, dass meine Agenten in der Öffentlichkeit stets gepflegt und seriös auftreten, dazu gehört für mich unbedingt eine Uhr. Das passende Outfit hast du ja bereits, da kann ich dir keine Vorschriften machen. Aber komm jetzt mit, ich stell dir die anderen Sportagenten vor.»

Neben Joshua gab es noch sieben weitere Agenten, die für Martin arbeiteten. Drei hatten ihre Büros auf demselben Stockwerk wie Joshua. Die restlichen waren auf Etage vier einquartiert. Alle waren sie äusserst erfolgreich und konnten bereits einen Weltmeister oder Olympiasieger betreuen.

Nachdem ihm Martin die sechs ersten Agenten vorgestellt hatte, blieb er vor dem letzten Büro stehen und sagte: «In diesem Büro arbeitet unser Topshot. Sie heisst Simone Winter. Derzeit hat sie unsere grössten und wichtigsten Stars unter ihren Fittichen. Leider ist sie heute nicht hier und ich kann sie dir erst morgen vorstellen. Im Moment betreut sie unseren neuen Superstar und schaut, dass er für seinen grossen Tag bereit ist. Sagt dir der Name Russell Williams etwas?»

Joshua schaute ihn fragend an: «Du meinst den Russell Williams? Unsere nächste englische Hoffnung auf den Schwergewichts-Boxtitel?»

«Was heisst hier Hoffnung? Russell wird garantiert der nächste Weltmeister. Ansonsten wäre er ja nicht bei mir unter Vertrag!»

«Du bist dir aber sehr sicher.»

«Das muss ich sein. Sonst hätte ich aufs falsche Pferd gesetzt.» Martin drehte sich um und ging ein paar Schritte. «Aber weisst du, weshalb ich mir noch sicherer bin?» Er drehte sich zu Joshua um und schaute ihm in die Augen. «Weil du sein neuer Agent werden wirst!»

«I… ich?», erwiderte Joshua stotternd. «Aber was ist mit Simone?»

«Simone hat ihre Arbeit getan und Russell so weit vorbereitet, wie es ging. Natürlich gibt ein Sportmanager seinen Schützling nur ungerne so kurz vor einem Titelgewinn ab. Es hat mich deshalb auch ein wenig Überzeugungsarbeit gekostet. Aber Simone ist jetzt auch der Meinung, dass du mit einem richtigen Star am meisten lernen wirst. Und? Was meinst du dazu?»

Joshua konnte sein Glück nicht fassen. Es hätte ihm bereits gereicht, wenn er Russell hätte kennenlernen oder ihm die Hand schütteln dürfen. Aber die Vorstellung, dass er in Zukunft mit Russell Williams zusammenarbeiten durfte, haute ihn beinahe um. Er spürte, wie seine Hand anfing zu zittern, aber er versuchte, es so gut wie möglich zu unterdrücken. Mit möglichst ruhiger Stimme sagte er schliesslich: «Vielen Dank, Martin. Ich fühle mich geehrt, dass du mir diese Chance gibst.»

«Keine Ursache. So ein Risiko würde ich aber nicht eingehen, wenn ich nicht von dir überzeugt wäre. Ich sehe viel Potenzial in dir, ich habe es bereits vor Jahren erkannt. Aber genug der sentimentalen Worte. Komm, ich stell dir noch kurz meine Assistentin vor und zeige dir anschliessend mein Büro.» Er zeigte mit der Hand zum Ende des Flures und ging los.

Joshua wollte ihm folgen, aber er spürte, dass er sich nicht wohlfühlte, und betrachtete seine zitternde Hand. «Onkel Martin, wo ist die Toilette?»

Martin drehte sich um und schaute ihm auf die zitternde Hand, die Joshua sofort in seiner Hosentasche vergrub. Martin zeigte in die Richtung einer verschlossenen Türe.

«Die Toilette ist da vorne. Ich warte in meinem Büro auf dich.»

Joshua nickte, ohne ein Wort zu sagen. Er drehte sich um und ging mit schnellen Schritten zum Klo, wo er sich in einer der Kabinen einschloss und sich auf die geschlossene Toilettenschüssel setzte. Sein Körper liess ihn mal wieder im dümmsten Moment im Stich. Er öffnete seine Weste und sein Hemd, griff mit der zitternden Hand in die Innentasche seines Jackets und holte eine Spritze heraus. Er betrachtete sie, holte einmal tief Luft und hielt den Atem an, um die Bewegung seiner Hand zu kontrollieren. Er fuhr mit der Nadel an seinen Bauch, injizierte sich die Spritze und blieb einen Augenblick regungslos sitzen, bis er seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte.

3. Kapitel

In der Trainingshalle des hauseigenen Boxclubs der SMT Group herrschte eine unangenehme Schwüle, die den Profisportler aber nicht zu stören schien. Russell Williams war vollends auf sein Training konzentriert und setzte seinem Coach ordentlich zu. Schon durch seine Körpergrösse war er eine äusserst beeindruckende Erscheinung. Knapp zwei Meter gross, schwarzhäutig und ein fokussierter Blick, bei dem jeder sofort wusste, dass man sich mit ihm besser nicht anlegen sollte. Die Fäuste von Russell flogen in einer unnachahmlichen Geschwindigkeit auf die Boxpratzen seines Trainers nieder, der sichtlich Mühe damit hatte, die hohe Frequenz des Boxers mitzugehen. Er versuchte, die Zielobjekte so schnell wie möglich an verschiedenste Positionen zu bringen. Erst rechter Punch, linker Punch, Aufwärtshaken gefolgt von einem Seithaken. Der Trainer konnte nicht mehr. Diese Kombination war zu viel für ihn. Innerhalb weniger Minuten musste er die Übung abbrechen.

«Unglaublich, Russell. Das ist Wahnsinn! So was hab ich noch nicht erlebt.» Der Trainer zog die Pratzen aus und rieb sich seine Handgelenke. Er war nicht mehr der Jüngste, dennoch musste er sich eingestehen, dass es nicht daran lag. «Ein paar Minuten Training mit dir und meine Arme fühlen sich taub an. Das hab ich in meiner langen Karriere als Trainer noch nie erlebt. Und du kannst mir glauben, ich habe schon einige Grössen vor dir trainiert. In den letzten Wochen hast du aber noch einmal richtig zugelegt. So gefällt mir das! Wir sind auf einem guten Weg!» Der Coach klopfte auf Russells Oberarme.

Russell grinste. «Das ist wegen dir. Ohne dich wäre das nicht möglich.»

Der Trainer tippte auf Russells Bizeps. «Das hier ist aber nicht alles.» Er tippte ihm auf die Stirn. «Vieles passiert da oben. Sei morgen bei deinem Kampf hochkonzentriert und glaub nicht, nur weil du die letzten Wochen körperliche Fortschritte gemacht hast, dass du dem Gegner überlegen bist. Der Gegner ist erfahren und er weiss, auf was er sich einlässt.»

Russell nickte. Er zog die Boxhandschuhe aus und löste langsam das Sporttape, welches um seine Handgelenke gewickelt war.

Simone Winter, Russells Agentin, stand während des ganzen Trainings in der Nähe von Russell und überwachte jeden einzelnen seiner Schritte.

Der Coach sammelte Handschuhe und Bandagen ein und zog sich zurück. Auch Russell machte sich auf den Weg in Richtung Garderobe. Just in dem Moment hörte er Simones Stimme.

«Russell, ich muss dir noch was mitteilen.»

Er drehte sich um und schaute sie an. Während er auf ihre Worte wartete, knackte er mit seinem Genick, indem er seinen Kopf von links nach rechts rollte.

«Ich bin nur noch heute deine Agentin. Ab morgen übernimmt ein Kollege.»

Russell war entsetzt und schaute sie mit grossen Augen an.

«Ein Kollege? Wieso? Kenn ich den Typen?»

«Nein! Er ist neu bei uns!»

«Ein Greenhorn? Willst du mich verarschen? Taugt der was?» Russell spannte seine Muskeln an.

Simone spürte, dass sie sich in seiner Anwesenheit nicht besonders wohlfühlte, wenn sie ihm unangenehme Nachrichten überbringen musste. Sie zog die Augenbrauen nach oben. «Ich schätze, dass du keinen Unterschied feststellen wirst und er sich ebenso gut um dich kümmern wird wie ich.»

«Was heisst, du schätzt es?»

«Ich kenne ihn noch nicht. Er ist der Neffe von Martin Tremor.» Der leicht abschätzige Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

«Toll. Und so was teilst du mir kurz vor meinem grossen Kampf mit?» Er ballte seine rechte Faust und biss die Zähne zusammen. «Und warum kommt es überhaupt zu diesem Wechsel?»

Simone überlegte, was sie ihm sagen sollte, um ihn nicht noch wütender zu machen.

«Martin meint, dass du so gut drauf bist, dass ich dir als Sportagentin nicht mehr weiterhelfen kann. Du bist nahezu perfekt vorbereitet und wirst dein Ding auf jeden Fall durchziehen, egal wer dich betreut. Versuch, dem Jungen einen angenehmen Start in die Firma zu ermöglichen.»

Russell beruhigte sich ein wenig. «Du hast recht. Wichtig ist, dass ich morgen bereit bin!»

«Und das bist du!», ergänzte Simone.

Russell schaute Simone an und fragte sie genervt: «Sonst noch was?»

Simone zuckte zusammen und erwiderte: «Nein, das ist alles. Martin wird ihn dir morgen vorstellen. Er wird somit auch bei Pressefragen an deiner Seite stehen.»

Russell drehte sich um und wollte gerade die Tür zu seiner Garderobe öffnen, als Simone ergänzte: «Sein Name ist übrigens Joshua.»

Als Russell den Namen Joshua hörte, veränderten sich seine Gesichtszüge. Der aggressive Blick wich einem erfreuten Lächeln. Simone konnte die Veränderung in seinem Gesicht aber nicht mehr erkennen, da Russell in der Garderobe verschwand.

4. Kapitel

Joshua trat aus der Toilette und schaute sich um. Er hoffte, dass ihn niemand gesehen hatte. Es kam ihm so vor, als hätte er Stunden in der Kabine verbracht. Er schaute auf die Uhr und war froh, dass ihn sein Eindruck getäuscht hatte. Er war maximal drei oder vier Minuten auf der Toilette gewesen.

Erleichtert machte er sich auf den Weg zu Martins Büro. Er fühlte sich deutlich besser und hoffte, dass ihm der Körper nun keinen Strich mehr durch die Rechnung machen würde. Vor Martins Bürotür wurde er von seiner Sekretärin begrüsst.

«Guten Tag. Sie müssen Joshua sein. Ihr Onkel ist im Büro. Bitte da lang.» Die Sekretärin zeigte auf die offene Tür links von ihr.

Joshua lief an ihr vorbei und betrat vorsichtig den Raum. Martin sass auf dem Stuhl und schaute auf sein Smartphone. Als er Joshua bemerkte, sprang er sofort auf.

«Gehts dir besser?», fragte er besorgt.

«Hast du es also gemerkt?», fragte Joshua niedergeschlagen.

«Ja, ich kenn dich doch. Ich kenne deine Symptome, deshalb hättest du es mir ruhig sagen können, dass du dich nicht gut fühlst.»

«Ich weiss, Onkel Martin.» Joshua seufzte tief. «Ich wollte jedoch nicht, dass du mich so siehst. Ich möchte Stärke zeigen und dir beweisen, dass ich deine Erwartungen erfüllen kann.»

«Das weiss ich doch. Mach dir keine Gedanken. Hauptsache, es geht dir jetzt besser.» Er breitete seine Arme aus und drehte sich einmal im Kreis. «Willkommen in meinem Reich. Das ist mein Büro. Du bist zum ersten Mal hier, oder?»

Joshua nickte.

«Wie du siehst, ist es beinahe das gleiche Büro wie das, das ich dir gegeben habe.»

Joshua musste schmunzeln. Die einzige Gemeinsamkeit war die Anzahl Personen, die in dem Büro arbeiteten. Ansonsten war es in allen Belangen grösser, schöner oder besser als Joshuas Büro. Der Tisch hatte mindestens die doppelte Grösse und davor standen vier Stühle. An Martins Wand hingen nicht nur vier, sondern sechs Fernseher. Zudem war ein Teil des Büros durch eine Wand abgetrennt, hinter der sich ein riesiges Sofa befand. Martin zeigte ihm das gesamte Büro und ging schliesslich zum Fenster. Er zeigte mit dem Finger in den Garten auf ein Haus, welches sich in der Mitte der Blumenbeete befand. «Da gehen wir jetzt hin.»

«Zu Dad?», fragte Joshua.

«Genau. Dein alter Herr möchte natürlich auch von dir begrüsst werden.»

Joshua musste lachen. «Du weisst aber schon, dass ich ihn vor wenigen Stunden beim Frühstück bereits gesehen habe?»

Martin winkte ab. «Das ist doch egal.»

Martin und Joshua betraten gemeinsam die Gartenanlage der Firma. Das Bürogebäude der SMT Group war über eine Zufahrt aus Süden zu erreichen. Östlich dieser Zufahrt erstreckte sich eine riesige Gartenanlage, die für jeden Botaniker oder Floristen das reinste Paradies gewesen wäre. Aufgrund des starken Regens der letzten Tage glänzten alle Pflanzen in herrlichen Farben. In dem Garten befanden sich viele Pflanzen, die man in normalen Gärten nie zu Gesicht bekommen hätte. Obwohl ihn die Pflanzenwelt nicht sonderlich interessierte, wurde ihm klar, dass auch dieser Garten ein Vermögen gekostet haben musste.

In einem der Beete kniete eine junge Frau, die sich mit einer Heckenschere an einer Pflanze zu schaffen machte. Martin grüsste die Frau und ging mit Joshua über den gepflasterten Weg auf das frei stehende Gebäude zu, aus dem gerade ein Mann herauskam. Dieser wischte sich mit einem Tuch die Hände sauber und strahlte über beide Ohren. «Hast du es auch noch geschafft?»

«Ja, Paps. Aber Martin hat gemeint, dass ich an meinem ersten Tag ruhig etwas später kommen kann.»

«Menschen wie ich arbeiten bereits seit mehreren Stunden. Die Herren im feinen Zwirn brauchen halt etwas länger, um in die Gänge zu kommen», er machte eine Art Hofknicks.

Martin unterbrach ihn: «Sei nicht so streng, Tom. Nicht jeder ist so ein Frühaufsteher wie du.»

«Ja, Bruder. Du hast recht. Willkommen, mein Sohn. Schon lange nicht mehr gesehen.»

Tom ging mit offenen Armen auf Joshua zu. Doch der bemerkte die frischen Erdflecken auf Toms Gartenschürze und sprang zwei Schritte zurück. «Nein, Paps, der Anzug ist nagelneu. Der soll nicht schon wieder dreckig werden.»

Tom lachte. «Siehst du? Nicht mal eine Umarmung für deinen alten Herrn liegt noch drin.» Er warf sein Handtuch zur Seite. «Ich wünsch dir trotzdem viel Erfolg bei uns und komm mich auch mal hier unten im Garten besuchen, falls dir das dein feiner Herr Onkel erlaubt.»

«Das sollte kein Problem sein. Die Frage ist nur, ob du dann überhaupt noch hier bist. Schliesslich arbeiten die armen Gärtner ja nur bis kurz nach dem Mittagessen», scherzte Martin.

«Touché», sagte Tom und zwinkerte ihnen zu. «So, ich mach mich mal wieder an die Arbeit. Joshua, wir sehen uns heute Abend.» Und schon lief er in Richtung Gartenhaus davon.

«So, Joshua, ich muss mich auch um das Geschäft kümmern. Ich schlage vor, dass du dich zunächst in deinem neuen Büro einrichtest, und ich komm nach dem Mittagessen bei dir vorbei.»

Sie verliessen gemeinsam den Garten und betraten wieder das Bürohaus. Als der Lift in der dritten Etage anhielt, trat Joshua hinaus, während Martin darin stehen blieb. «Auf deinem Schreibtisch liegen Unterlagen, die du bitte studierst. Ich werde dich später abholen und dir sagen, wie es weitergeht.»

Joshua nickte. «Alles klar. Bis später.»

Zum ersten Mal betrat Joshua alleine sein Büro. Auf seinem Schreibtisch lag der aktuelle Geschäftsbericht der SMT Group. Während er das Dokument durchblätterte, stiess er auf die Entstehungsgeschichte der Firma. Ein Bild von Martin Tremor prägte die erste Seite, auf der auch sein Werdegang beschrieben wurde. Eigentlich dachte Joshua, dass er alles über seinen Onkel wusste, doch beim Überfliegen seiner Daten entdeckte er Neues. «Martin war ein ranghoher Offizier beim englischen Militär?», dachte er sich. Joshua begann zu lesen. «Nachdem er sich nicht mehr für militärische Belange interessierte, entschloss er sich, seine eigene Firma zu gründen. Aufgrund seiner Erfahrung im Führen von Menschen und seiner Begeisterung für den Sport entschied er sich dazu, eine eigene Sportagentur zu gründen.»

Joshua blätterte weiter. Die Firma wurde im Jahr 1990 gegründet. Während der ersten Jahre war es eine unbekannte und relativ erfolglose Agentur, die von der breiten Öffentlichkeit kaum beachtet wurde. Die ersten grossen Erfolge konnte Martin erst im Jahr 2002 vorweisen. In den zwölf Jahren dazwischen war er mit seiner Unternehmung dem Konkurs näher als irgendeinem Weltmeistertitel oder einer olympischen Medaille. Danach war sein Aufstieg aber unaufhaltsam. Bis heute konnte er reihenweise Erfolge erzielen. Zu den Highlights zählten die Siege an den Olympischen Spielen und an Weltmeisterschaften in der Leichtathletik. Seit 2002 konnten die Sportler der SMT Group mindestens drei Goldmedaillen pro Jahr gewinnen. Darüber hinaus konnte man zwei SchwergewichtsBoxweltmeister und drei Tour-de-France-Sieger erfolgreich promoten. Aber auch Fussballer, American-Football-Spieler, Schwimmer und viele weitere Sportler aus den unterschiedlichsten Sportarten gehören und gehörten zu Martins Klienten. Die Erfolge seiner Schützlinge führten dazu, dass sich immer mehr Grössen des Sports ihm anschlossen. Er konnte die besten Trainer verpflichten und sich aus allen Talenten die besten herauspicken. Eine Erfolgsgeschichte, die noch lange nicht zu Ende zu gehen schien.

Joshua war in seine Lektüre vertieft und erschrak, als sich plötzlich die Tür öffnete und Martin hineintrat.

«So, Joshua, genug entspannt.»

«Entspannt? Ich lese aufmerksam deinen Geschäftsbericht», sagte Joshua.

«Sehr gut. Und? Gefällt er dir?»

«Ja, sehr beeindruckend. Ich wusste ja schon immer, dass du erfolgreich bist. Aber wenn ich hier die Namen der Sportler lese, dann wird mir erst richtig bewusst, dass alles, was Rang und Namen hat, bei dir unter Vertrag ist.»

Martin nickte zustimmend und setzte sich auf die Kante von Joshuas Bürotisch.

«Dann lass uns die Erfolgsgeschichte weiterschreiben. Ich erklär dir jetzt, wie es weitergeht. Russell Williams trifft morgen auf den Russen Dimitar Greganov.»

Er griff nach seinem Smartphone und zeigte ein Foto, das er an einer Pressekonferenz geschossen hatte. Darauf waren Russell Williams und der Russe zu sehen, die sich Auge in Auge gegenüberstanden. Selbst der beeindruckend erscheinende Russell wirkte neben dem Russen wie eine halbe Portion.

«Wow, der Typ ist ja riesig», erwiderte Joshua.

Martin nickte zustimmend.